
What the hell is Wermut?!
06/2025
Es gibt Getränke, die kommen und gehen. Und es gibt jene, die bleiben, weil sie mehr sind als ein kurzer Trend. Wermut gehört zur zweiten Sorte. Ein Wein, der seit Jahrhunderten bitter ist – und gerade deshalb so zeitlos wirkt. Sein Ursprung reicht tief zurück. In der Antike wurde Wermutwein nicht wegen seines Aromas geschätzt, sondern wegen seiner Wirkung. Hippokrates selbst empfahl ihn gegen Verdauungsprobleme. Funktionalität statt Finesse. Aber auch das war ein Anfang. Jahrhunderte später schrieb man in Klöstern Rezepturen nieder, mischte Wein mit Kräutern, heilte, linderte, kräftigte. Mit der Renaissance kam der Geschmack hinzu. Zucker, Gewürze aus fernen Ländern, ein Hauch Exotik im Glas.
Spätestens im 18. Jahrhundert wurde aus Medizin Eleganz. In Turin komponierte Antonio Benedetto Carpano einen Wermut, der erstmals alles konnte: heilen, verführen, schmecken. Der Herzog von Savoyen trank ihn – die Gesellschaft folgte. Und mit ihr ein neues Ritual: der Aperitif. Der 19. Jahrhundert brachte die Bühne. Cocktails wurden zum Statement urbaner Lebensart, und Wermut spielte die Hauptrolle.
Manhattan. Negroni. Martini. Drei Namen, drei Stile, ein gemeinsamer Nenner. Wer Wermut im Glas hatte, zeigte Geschmack. Dann kam das 20. Jahrhundert. Die Zeit wurde schneller, die Drinks klarer. Wermut geriet in Vergessenheit. Flaschen staubten ein, Bars vergaßen das Bittere. Aber Stilsicherheit ist selten dauerhaft out. Und so kehrt Wermut zurück – feiner, selbstbewusster, vielfältiger. Seit den 2000ern erlebt er ein Revival, das seinen Ursprung ehrt und die Zukunft mitdenkt. Junge Marken setzen auf Regionalität, Balance, Handwerk. Bartender entdecken seine Tiefe. Restaurants kombinieren ihn mit feiner Küche.
Wermut ist heute wieder da, wo er hingehört – in den Händen derer, die Qualität erkennen, lange bevor sie Mainstream wird. Er ist Aperitif, Cocktailbasis, Solist. Elegant, wenn er will. Eigenwillig, wenn er darf. Und immer ein Statement gegen das Beliebige.